20071208

wie es sinkt und lacht

Zwei schauderlich gleichartige Schwestern tanzen ihren Reigen rund um Rhein und Main, die hier Gift und Galle zu widerwärtigem odeur vermählen um dem nahenden Exodus postindustrieller Sinnfindung ein nekrotisches Begleitlied zu spielen. hier werben künstlich bedampfte schlote um loftgeile substandard-gentrifizierer. die doppelstadt der niemals scheinenden sonne. ihre wärmenden strahlen ersetzt, da und dort, durch lach- und lasterhafte gestirne närrischen treibens, die saturierten hirne und därme mit "dornfelder lieblich" weichgespült für den nächsten büttenschwank. hier kehr ich ein, jeden tag aufs neue. stinkende kinder im überfüllten omnibusverkehr begleiten meinen leidensweg, 7.51 uhr, 8.06 Uhr, 8.23 Uhr. helau! alaaf! wie es singt und lacht. und frankfurt, die verheissungsvolle stadt, magnetpol kontinentaleuropäischen wirtschaftens, liegt als einzge flucht nur in den augen nah. das tarifgebiet endet vor seinen toren. danke, rmv.

(foto fundstück)

und da war er hin

Servus du Glanzstück herbstlich duftender Gassen. Verlassen habe ich die Stadt, an der sich Wien und Donau vereinen. Nur ihr munterer Reigen pumpt weiter im Walzertakt saftigen Schmäh in jeden einzelnen der 23 Bezirke, Mikrokosmen urbaner Lebewelten. Zu rotglühenden Sonnenstrahlen, die abends die Straßen bezaubern, wehen aus den Kaffeehäusern frisch duftende Dampfschwaden und locken täglich die Bewohner aus ihren Garconieren, aus den Belle-Etagen der Herrschaftshäuser und aus den einfachen Behausungen der ehrlichen Arbeiter. Hier versammeln sich jung und alt, reich und arm, europäer aller nationen im tor zu osteuropa und singen das lied königlich-kaiserlicher herrlichkeit. Sturm in den Gläsern öffnet ihre Seelen, jene dieser ganz besonderen Menschen mit einem Herz voll uralter Traditionen und dem Kopf voller Zukunft. Wien, ich war kein Zuschauer in deinen Rängen, du hast mich als Freund an deinem Ofen aufgenommen. Adieu auch an Günney und Hafir, die in meinen letzten Zügen und mit vereinten Kräften den Motor meines Wagens in Gang brachten. Und mir nachwinkten, in eine ungewisse Zukunft. Vorbei die Zeit des Weltenrettens.

(foto cc-by schönberg)

20071204

fresh fruit for rotten vegetables

Sie rotten sich wieder zusammen. Wie jeden Tag, kurz nach Sonnenuntergang. Mit Pauken und Trompeten. Die Letzten Sonnenstrahlen lassen ihren Streitwagen aus Edelstahl gefaehrlich glimmen, aus den vier riesigen Hornlautsprechern sickert unheilverkuendend leises rosa Rauschen. Uniformen aus Rot-Blauem Polyester, eine Buegelfalte, mit der man problemlos Kokosnuesse spalten koennte. Es ist die "Diamond Band".

Nach einer kurzen, aber heftigen Rueckkopplung, die sogar den unerschuetterlichen Muezzin in seinem droegen Tun innehalten laesst...setzt der Krach ein.
Die Melange laesst die Ohren bluten, der Bass rammt sich wie Rockys Rechte geradewegs in den Diarrhoe-geplagten Magen. Jedes der mindestens Zehn Bandmitglieder fuer sich spielt schon grottenfalsch. Gemeinsam sind sie infernalisch. Als ob das alles nicht genug waere: mitten im Tumult greift ein hageres Buerschlein zum Mikrofon der scheppernden PA-Anlage, und begint hineinzuschreien. Das Signal fuer den Tross, sich samt psychedelisch beleuchtetem Edelstahlwaegelchen in Bewegung zu setzen, hinterdrein ein Karren mit einem an den Grenzen seiner Leistungsfaehigkeit blauen Dunst aushustenden Dieselgenerator, der mit zwei blanken Litzen alles mit Strom versorgt. Die Beleuchtung, den Verstaerker, die eine oder andere Kuh, die den Litzen zu nahe kommt...

Die Indische Oktave umfasst 22 Toene. Die Tragweite dieser Erkenntnis ist mir erst mit dem Beginn der Hochzeitssaison schmerzlich klar geworden.

Nice beard, man!

20071125

der verschlissene

ein rastloser pendler, in dieser stadt. erdmännchengleich recke ich meinen kopf aus den tiefen schächten. ein flickenteppich von straßenkarees. dort, wo keine u-bahn fährt ist es fremd. ungewohnt, gar gefährlich. wer mag die monate zählen, die es brauchte zu begreifen, dass schottentor und schwedenplatz ein katzensprung sind. urania und stadtpark lächerliche fussläufigkeit verbindet. big city nights, hängend am tropf des öffentlichen nahverkehrs, blut aus schienen, stahl und feinstaub glühender bremsbeläge (gut dass den keiner quantifizieren will). doch, was bleibt vom blunzngröstl, wenn es einmal verspeist ist? schlechtes gewissen und der wunsch nach mehr. was solls, es ist zu spät für philosophien. "Das versteht ihr nicht! Er hat ein zerrissenes Gemüt, da rinnt der Wein durch und kann nicht in Kopf steigen. Jetzt kümmerts euch nicht um Sachen, die euch nix angehn, und schauts zum Servieren!". gute nacht, johann.

(foto cc-by schönberg)

20071124

weg mit die schläuch

"kennst du vier pfoten?" - "welche vier?" - "naa, den verein" - "nein" - "aber du magst tiere" - "nein" - "aber sie sind dir wichtig!" - "also du willst kohle" - "naja, für die tiere" - "achso, immerhin mal was neues" - "ja und" - "krichst nix" - "du hast doch bestimmt ein konto" - "ja, ein deutsches" - "och mann, das geht ned, dabei hats so schön angefangen..." - "ja war mir eine ehre" - sonst eher ein flauer tag. die stunde des abschieds kratzt schon sensenmanngleich nächtens an meiner wohnungstüre, die ich gestern nacht ohnehin weit geöffnet ließ. besuch kam nicht herein, nicht einmal unerhoffter. meine begleiterdamen (s., l., t.) sind am wochenende ausgeflogen, ich musste ohnehin die bleibe schrubben. den trübsal blase ich mittels sanostol-netzplatz aus den Knochen. einfach ganz oft den Knopf drücken, dann ertönt es kanonartig. Morgen noch auf den Prater und ein Kalbschnitzel. Wien-Nord. Represent!

(foto cc-by schönberg)

No Bargaining!

Heute den Fixed-Price-Tibetan-Refugee-No-Bargaining-Bazar und die Palasthoteleinfahrt Rechts liegen gelassen, und dann, nach kilometerlangem Marsch auf einer schnurgeraden Strasse mit Zaeunen rechts und links (vgl. Korridor nach Westberlin), im dritten Anlauf, den Zugang zum S.-Park gefunden. Ein Reservat fuer nicht-bekloppte Inder, und so sauber und ruhig, wie man es sich schon fast nicht mehr vorstellen kann. Ein Schild mahnt "Use Dust Bin! No Picknick on Lawn!". Und es gibt sie tatsaechlich, sowohl die Muelleimer (= Gelbe Plastikkaengurugs mir roten ohren uns aufgemalten Reisszaehnen, auf dem weit geoeffneten Beutel Prangt in Kapitaelchen "USE ME") als auch die Rasenflaechen.
Wir seten uns auf die erste Bank in der Sonne, lassen uns von esoterischer Musik berieseln und uns von Einheimischen begaffen. Wir gaffen zurueck und amuesieren uns ueber den indischen Fruehsport, der augenscheinlich hauptsaechlich aus Kopfgewackel besteht. Ueber allem thront ein Bronze- oder Plastik-Ghandi auf seinem ewigen Salzmarsch. Ein paar Buesche sind in vage Tierformen geschnitten, es koennten Kamele sein, eines davon ist vornueber gekippt, und ruht nun auf dem no-pickick-lawn in grotesker Haltung auf seinem Kopf.
Den vielgepriesenen Zoo finden wir zunaechst nicht, beschliessen dann aber, dass die allgegenwaertigen Streifenhoernchen, die dicke Ratte, die Stassenkoeter und das Vogelvieh sowieso viel possierlicher sind als es traurig umhertrottende Tiger je sein koennten. Es gibt auch einen Weg, den wir als Trimmpfad interpretieren, 800m, ein Marathon fuer den Durchschnittsinder. Alle zwanzig Meter stehen grosse Hinweinstafeln auf Hindi, die wohl den Sportler ueber die bereits zurueckgelegte Distanz informieren. Wir treffen sogar einen Leistungssportler, in einem Gewand, das verblueffend nach DDR-Olympiakader aussieht. Er bewegt sich, wie es wohl ein nicht gedopter DDR-Olympionike getan haette.

Gemaechlich.

Mehrfach kreuzen wir das Parkbaehnle, ein Zug ist allerdings nie zu sehen. Das Mysterium findet seine Aufloesung im Baba-Lukas-Ashram, laut einem Riesigen Schild in allen Landessprachen die "Main Attraction" im Park. Es begab sich naemlich im Jahre 1964, zur Zeit der grossen postkolonialen Rohstoffkrise, dass ein paar findige Inder sich mit dem einzigen Schraubenschluessel Udaipurs bewaffnet aufmachten, um die Schienen in einem schlecht, weil gar nicht, ausgeleuchteten Abschnitt der Parkbaehnlesnordkurve zu demontieren, und sie an die damals noch weitgehend unbekannte BAJAJ-Auto-Company zu verkaufen, die daraus die ersten in Thailaendischer Lizenz produzierten Rickschas schmieden sollte.
Davon allerdings wusste Ranjid, verdienter Parkbaehnles-Lokfuehrer und Mann zweier Frauen sowie stolzer Besitzer eines taeuschend echt wirkenden Plastik-Roleximmitats, nichts. Er raste mit gefuehlten 12,5km/h mit einem zum Glueck ansonsten unbesetzten Zug geradewegs und ungebremst in sein Verderben, die Bahn entgleist, wuehlt sich noch einen endlos erscheinenden Meter durch das von Metall befreite Schotterbett, und kippt dann behaebig aber dramatisch zur Seite. Der unglueckliche Ranjid buesste bei diesem Unglueck den Fingernagel seines rechten Daumens, das Deckglas seiner "Rolex" und weite Teile seines Verstandes ein, und entschloss sich, an Ort und Stelle zu verbleiben, und von seinem nahtod-Erlebnis und der Guete der Goetter zu berichten.
Wie das hier so ueblich ist, fand sich bald eine Schaar Juenger ein, die Ranjid mit Reis und Chapati versorgten. Bald bekam Ranjid seinen eigenen Fernsehsender, und einen Ashram in der Naehe der Ungluecksstelle gestiftet. Nun sitzt er da, nackt, mit seiner kaputten "Rolex" , nennt sich "Baba Nanga Lukas", und liest jeden Tag von 10am bis 5pm aus "Lukas und der Lokomoivfuehrer", das er einem Traveller abgeschwatzt hat, weil er in "Emma" eine Inkarnation seiner alten Lok zu erkennen glaubte. Dass er von rechts nach links liest, stoert dabei weder ihn noch die zahlreichen Pilger, die aus allen Teilen des Landes kommen, um ihm andaechtig zu lauschen:"Dnalremmul eneohcs sad ni nesier lamnie etllos redej..."

20071122

Garnitur (Serviervorschlag)

"Wegen eines defekten Zuges..." glaube ich ohnehin nicht mehr. Viel zu aufgeklärt laufe ich durch diese Stadt, alle Fachliteratur zu Werther-Effekt, Komposition von U-Bahnnetzen, den beiden versteckten Tunneln zwischen Landstraße, Schwedenplatz, Stephansplatz und Schottenring, zum Geisterbahnhof Lerchenfelder Straße, und zur Technik der U-Garnituren kenne ich. Und trotzdem bin ich die Woche schon zweimal umanand gelaufen, von nestroyplatz bis stephansplatz, weil ich doch die verdammten linien der bim nicht kennen will, nicht kennen mag und aus prinzip nicht benutze. Es gibt definitiv keinen Grund dafür. Entlang der U-Bahn kann man alles bekommen, was das herz begehrt (lebensmittel: billa am praterstern, waffen: mexicoplatz (vorgartenstraße), alternativ sein (wuk/gumpendorfer straße), drogen (karlsplatz), sex (alle stationen), versacken (kagran)). Schönberg wächst also und gedeiht. Hat dem Auto entsagt. Bleibt Triebtäter im Triebwagen. Bei Bedarf gern bis nach Vösendorf.

20071120

herzschlagzeile

Ist er zurück? Will er mich schon wieder in Misskredit bringen? War Vishnu den Indern gnädig? Haben die friedliebenden Buddhisten Brahmalitzen aus ihrem Land geprügelt? Sich als US-Bürger auszugeben sieht ihm ähnlich, durchdrehen ist sein Markenzeichen, polizeilich gesucht wird er seit eh und je. Und nackt: wir erinnern uns. Ich plane derzeit alle Körperhaare vollständig zu rasieren, meinen Wohnort zu verlassen und mich im nächsten Spital unter die Chemotherapiepatienten zu schleichen. Auf das wir uns nicht begegnen. Der zweite Strohhalm, an den ich mich klammere: Vielleicht hat Heute wieder maßlos übertrieben und ein UNI-Diplomand hat einfach nur über die Stränge geschlagen?

20071119

when you iz worried, call me... Al

"... legen die Wiener Linien besonderen Wert darauf, Telefonkabinen so aufzustellen, dass eine ungestörte Benutzung gewährleistet ist. Schalldämmende Türen halten Umgebungslärm ab, Standorte, die nicht direkt an Verbindungstunneln der U-Bahnstrecken liegen lassen generell weniger Ablenkung durch Fremdeinflüsse erwarten. Um den verschiedenartigen Ansprüchen unserer Kunden gerecht zu werden, stehen in unseren Telefonkabinen verschiedene Lichtstimmungen sowie Automaten für jede Körpergrösse bereit. Die Kombination einer einladend sachlichen Athmosphäre mit der Armatur für ergonomisches zurechtlegen einer ordentlichen Line sorgt für langfristige Kundenbindung..."

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spaziergänge